Kapitel 8 – Ein belauschtes Gespräch
Angelina bekam schnell einen feuerroten Kopf und auch ihre Stirn wurde heiß, das spürte sie. Allerdings begann ihr Kopf auch furchtbar zu schmerzen und vor ihren Augen drehte sich plötzlich alles. Mit einem kurzen Blick zu Fred, konnte sie erkennen, dass dieser mittlerweile ganz bleich im Gesicht war. Er schien zu sehen, dass sie sich damit quälte, auf dem Stuhl sitzen zu bleiben und sich nichts anmerken zu lassen.
Erst versuchte sie es noch zu verbergen, doch dann ließ sie den Löffel einfach in die Schüssel sinken und vergrub das Gesicht in den Händen.
>> Es soll aufhören <<, dachte sie immer wieder und drückte ihren Kopf immer weiter in ihre Hände.
„Angelina, was hast du?“, hörte sie eine Stimme, doch sie konnte nicht antworten.
Sie glaubte, ihr Kopf würde platzen: „Aufhören“, flüsterte sie. „Das soll aufhören!“ Sie begann zu schreien.
Angelina spürte, wie sie jemand sanft an der Schulter rüttelte, doch sie reagierte nicht. Das Gemurmel um sie herum schien immer lauter zu werden und als sie angesprochen wurde, glaubte sie angeschrieen zu werden: „Was hast du?“
Sie schüttelte mit dem Kopf. Alles um sie herum drehte sich weiter und dann wurde alles schwarz.
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Als sie wieder zu sich kam, hatte sie immer noch Kopfschmerzen und weiterhin drehte sich alles vor ihren Augen. Sie nahm nicht sehr viel wahr, nur dass sie lag und irgendjemand etwas Kaltes gegen ihre Stirn drückte.
Angelina versuchte, die Augen zu öffnen, doch allein der Versuch jagte ihr einen solchen Schmerz durch den Kopf, dass sie die Augen lieber geschlossen hielt. Einen kurzen Augenblick später war sie auch schon wieder eingeschlafen.
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Als sie das nächste Mal wach wurde, vernahm sie Stimmen. Sie spürte etwas Warmes neben sich. Jemand musste an ihrer Bettkante sitzen.
Angelina schlug die Augen auf und erkannte die Umrisse Matthews neben sich.
Jetzt, wo sie zu Bewusstsein kam, wurden die Stimmen klarer und lauter, aber sie verstand immer noch kein Wort.
Sie tastete mit der Hand nach ihrem Bruder, aber sie konnte ihn nicht erreichen und glaubte schon halluziniert zu haben, deshalb wollte sie „Matthew?“ flüstern, doch zu hören war nur ein Krächzen.
Der Kopf ihres Bruders wandte sich augenblicklich zu ihr und sie konnte das Leuchten in seinen Augen sehen: „Angelina“, flüsterte er. „Du bist wach.“
„Wasser“, krächzte Angelina und Matthew griff sofort nach einem Glas, dass auf ihrem Nachttisch stand.
„Ich sage unten bescheit, dass sie wach ist“, erklärte eine Stimme, die Angelina niemandem zuordnen konnte. Vielleicht war sie dafür einfach noch zu müde.
Matthew half ihr währenddessen auf, damit sie aufrecht im Bett sitzen konnte und reichte ihr das Glas Wasser. Sie trank einen Schluck, wisperte ein kaum merkliches „Danke“ und konnte gerade noch sehen, wie Matthew ihr zulächelte, als ihr das Glas auch schon wieder aus der Hand glitt und sie einschlief.
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Angelina warf den Kopf nach links und nach rechts. Schweißperlen liefen ihre Stirn hinab und sie drehte sich unruhig im Bett hin und her. Dann plötzlich schreckte sie auf und saß kerzengerade im Bett. Es war stockdunkel. Durch die Fenster drang nur ein klein wenig Licht vom Nachthimmel.
Sie tastete zum Nachttisch und nach dem Glas. Ihre Arme kamen ihr sehr schwer vor und als sie gerade das Glas anheben wollte, hörte sie ein Geräusch. Schnell legte sie sich wieder unter die Decke. Gerade noch rechtzeitig, denn dann ging auch schon die Zimmertür auf.
„Was habe ich dir gesagt? Sie schläft. Und wenn sie wach wird, gibt uns Matthew schon bescheid. Er ist ein schlauer Junge. Ich denke nicht, dass er seiner Schwester Schaden will“, flüsterte eine Stimme.
„Ich bin mir da nicht ganz so…“ Den Rest hörte Angelina nicht mehr, denn die Tür schloss sich wieder.
>> Matthew schadet mir nicht! <<, sagte sie zu sich selbst, aber irgendjemand wollte da ja wohl das Gegenteil behaupten.
Auch wenn sie sehr müde war spürte sie wie ein wenig Wut in ihr aufkochte und schlafen konnte sie jetzt ohnehin nicht mehr. Sie schob ihre Bettdecke zur Seite und stand vorsichtig auf, um Ginny und Hermine nicht zu wecken. Leise drückte sie die Türklinke nach unten und steckte den Kopf durch die Tür, um sicher zu gehen, dass sie niemand sah.
Ein lautes *Klack* ließ sie zusammenzucken. Die Tür zum Salon, am anderen Ende des Flures, war ins Schloss gefallen.
>> Nun, dann mal hinterher <<, sagte sie zu sich selbst und tastete sich barfuss den Flur entlang. In der Dunkelheit konnte sie nicht einmal die eigene Hand vor Augen sehen. Als sie die Tür erreichte, lehnte sie ihren Kopf dagegen, um zu lauschen. Sie nahm jedoch nur Gemurmel wahr.
Sie zögerte, doch dann tastete sie nach der Türklinke und schob die Tür leise einen Spalt auf. Licht drang auf den Flur hinaus und eine Stimme sagte etwas.
„Aber sie ist nicht Liz, verstehst du? Sie wird auch nie Liz sein. Sie hat ihren eigenen Namen und ihr eigenes Leben. Wann, frage ich dich, wann fängst du an, das zu begreifen?“
„Aber schau sie dir doch an. Sie sieht genauso aus wie Liz. Gib es zu, Moony, wenn du nicht genau wissen würdest, dass es ihre Tochter ist, würdest du auch glauben, sie sei es selbst“, antwortete eine zweite Stimme.
„Sie mag so aussehen, wie ihre Mutter und sich auch so verhalten, aber Angelina ist nicht ihre Mutter. Sie ist ein eigenständiger Mensch“, belehrte die erste Stimme rau.
„Ich kann sie nicht mehr sehen, Remus. Jedes Mal, wenn sie morgens zum Frühstück in die Küche kommt, sehe ich Liz vor mir, wie sie morgens immer in die Große Halle kam“, erzählte der andere Mann.
Angelina vernahm ein Seufzen: „Sirius, du kannst sehen, was immer du willst, aber vergiss nicht: Sie ist nicht Liz.“
„Ja doch, ja!“ Sirius schrie ihn an. „Remus, das sagst du mir schon seit drei Wochen.“
„Ich will nicht, dass du dir falsche Hoffnungen machst, damit machst du dich selber unglücklich“, flüsterte Remus sanft, so dass Angelina sich anstrengen musste, alles zu verstehen.
„Ich weiß doch“, flüsterte Sirius. „Aber ich wünschte, ich hätte mich noch bei ihr entschuldigen können. Vielleicht… vielleicht wäre dann alles anders gekommen.“
„Darüber haben wir schon einmal gesprochen. Vor gut einem Jahr, wenn ich mich recht erinnere.“
„Kurz vor ihrem Tod, ja“, murmelte Sirius.
Eine Weile herrschte Schweigen und Angelina nutzte die Zeit, um einmal tief durchatmen zu können.
„Glaubst du, sie hat sich wegen den Beiden versteckt?“, fragte Sirius in die Stille.
„Wie meinst du das?“, stellte Remus die Gegenfrage.
„Glaubst du, sie hat den Streit damals genutzt, um sich zu verstecken?“, fragte Sirius.
„Ich habe keine Ahnung. Ich…ich habe erst kurz vor der Geburt der Zwillinge wieder von ihr gehört“, antwortete Remus.
„Und sie hat nichts gesagt?“, fragte Sirius.
Remus seufzte: „Das habe ich dir doch alles schon erzählt.“
„Ich verstehe es trotzdem noch nicht“, erklärte Sirius. „Keine Nachricht. Nicht eine Zeile. Sie ist nach dem Streit einfach nicht wieder gekommen.“
„Nein, nicht ganz!“ Remus schüttelte mit dem Kopf. „Du kannst ihr nicht alleine die Schuld geben, wenn ich mich recht erinnere, mein lieber Sirius, warst du derjenige der gegangen ist und als du wiedergekommen bist, war sie weg. Sie hatte nicht mehr auf dich warten wollen.“
„Es ist… das selbe“, rechtfertigte sich Sirius.
Angelina zog die Luft ein und wollte einen Schritt zurück machen. Für den Moment hatte sie genug gehört. Allerdings blieb sie mit dem Ärmel an der Klinke hängen und die Tür kratzte über den Fußboden.
„Wer ist da?“, erklang Sirius Stimme.
Angelina schluckte und wollte sich hastig von der Tür befreien, doch diese ließ sie nicht los. Als sie Schritte hörte, schlug ihr Herz bis zum Hals. Sie zog noch fester an ihrem Ärmel und gerade als sie los kam, riss Sirius die Tür auf.
Sein Gesicht, das noch zornig schien, wurde mit einem mal ganz weiß. Aus Angelinas Gesicht wich ebenfalls der letzte Rest Farbe und die nächsten Sekunden starrten sie sich einfach nur an.
„Sirius?“, rief Remus aus dem Raum. „Sirius, wer ist denn da?“
Der Angesprochene ging einen Schritt zur Seite und machte eine einladende Handbewegung, damit Angelina eintreten konnte.
Sie trat aus dem Dunkeln herein, in den dürftig erhellten Raum und als Remus erkennen konnte, wer an der Tür gestanden hatte, wurde auch er blass.
„Angelina, kannst… kannst du nicht schlafen? Was machst du hier?“ Remus sah sie geschockt an.
Angelina trat weiter in das immer noch staubige Zimmer. Nur vier kleine Sessel um den Kamin herum waren staubfrei. Sie hörte, wie Sirius hinter ihr die Tür schloss.
„Guten Abend, Remus“, flüsterte Angelina. Sie hatte keine Ahnung, was sie hätte anderes sagen sollen.
„Seit wann stehst du da?“, fragte Remus.
„Es tut mir Leid, ehrlich. Ich wollte eigentlich nicht lauschen, aber…“, versuchte sie hastig zu erklären, doch Remus unterbrach sie.
„Seit wann stehst du da?“, wiederholte er seine Frage.
„Etwas.. etwas länger“, flüsterte Angelina betreten und sah zu ihren Füßen. Sie hörte Remus tief einatmen.
„Willst du… willst du nicht erst einmal was trinken? Eine… eine Tasse Tee?“, hörte sie Sirius hinter sich stottern. Er ging an ihr vorbei zum Kamin und nahm die dort stehende Teekanne. Aus dem nichts ließ er eine weitere Tasse erscheinen und goss ihr heißen Tee ein.
Angelina setzte sich in einen der leeren Sessel. Remus legte ihr eine Decke über die Beine und Sirius reichte ihr die Tasse.
„Du sagtest, du wolltest nicht lauschen, warum standest du dann an der Tür“, unterbrach Remus das Schweigen.
Angelina umklammerte ihre Tee Tasse: „Ihr wart an der Zimmertür und… und einer von euch hat behaupten wollen, dass Matthew mir schadet. Ich… ich wollte eigentlich nur wissen, wer so einen Unsinn in die Welt setzt.“
Sirius und Remus wechselten einen Blick und Remus schüttelte mit dem Kopf: „Sag jetzt nichts.“
„Aber du siehst es doch. Genau das, was ich eben gesagt habe“, gab Sirius zurück.
„Sirius, hörst du mir nicht zu?“, fragte Remus.
„Hey“, mischte sich Angelina rasch ein. „Ich sitze jetzt auch noch hier“, flüsterte sie.
„Entschuldige bitte, natürlich bist du auch noch da“, sagte Remus und blickte Sirius mahnend an.
„Kann ich dir eine Frage stellen?“, fragte Angelina und sah Sirius an.
„Du fragst bereits“, meinte Sirius und Angelina glaubte, ein Lächeln zu erkennen.
„Findest du nicht, dass es schon ziemlich spät ist?“, fragte Remus. „Bist du nicht müde?“
„Remus, ich bin kein Kleinkind mehr. Ich will jetzt wissen, was hier gespielt wird“, entrüstete sie sich. Remus seufzte. „Also? So wie es ausschaut, hast du mir eine Menge verschwiegen“, erklärte sie.
Remus zog die Stirn kraus: „Was meinst du?“
„Zum Beispiel, dass meine Mutter einen großen Streit mit Sirius hatte, bevor ich auf die Welt kam.“
„Du hast nicht danach gefragt“, redete sich Remus raus.
Angelina schnaubte: „Ich habe dich gefragt, was der Grund sein könnte, warum meine Mutter nichts mehr von der Vergangenheit hatte wissen wollen.“
„Jetzt weißt du es“, meinte Remus gelassen.
„Hör auf, ich bin noch lange nicht fertig“, erklärte sie laut. „Als du vor zwei Jahren bei uns zu Hause aufgetaucht bist, hast du nichts gesagt, aber spätestens letztes Jahr… letztes Jahr nach ihrem Tod, hättest du mir sagen müssen, warum sie nicht glauben wollte, dass Sirius unschuldig ist. Der Streit wäre eine Erklärung gewesen.“
„Ich schulde dir keine Antworten Angelina und war der Meinung, dass es besser ist, wenn du nichts davon weißt.“
„Wie kannst du von mir verlangen dir zu vertrauen, wenn du mich ständig Dinge vorenthältst?“ Angelina fing an zu schreien.
Sirius legte seine Hand behutsam auf ihre Schulter: „Du solltest dich nicht zu sehr aufregen.“
„Du weißt nicht, wie das ist. Nicht zu wissen, wer deine Eltern sind. Ich dachte immer, ich kenne meine Mutter. Ich sei die einzige, die sie kennt, aber immer und immer wieder muss ich feststellen, dass ich mich da wohl geirrt habe.“
„Ich will nicht, dass du ein falsches Bild von deiner Mutter bekommst“, verteidigte sich Remus.
„Ich will nicht irgendein Bild von meiner Mutter, Remus. Keine gefälschten, abgerundeten Tatsachen. Mir ist ganz gleich, wie ich sie sehe, aber ich will sie verstehen können. Seit ihrem Tod kommt sie mir immer fremder vor.“
„Sei froh, dass du Liz zur Mutter hattest. Andere haben nicht so viel Glück“, erklärte Sirius.
„Ich weiß nicht, ob es so ein Glück ist, wenn sie mir so viel verheimlicht hat“, antwortete Angelina.
„Ich könnte mir keine bessere Mutter als Liz vorstellen“, murmelte Sirius verträumt.
Angelina musterte ihn: „Ihr… ihr wart während der Schulzeit zusammen, oder?“
Sirius lächelte matt: „Und noch danach… bis zum Streit.“
„Worum ging es bei dem Streit?“, hackte Angelina nach.
„Ich glaube, das geht jetzt wirklich ein bisschen zu weit“, nahm Remus da Wort in die Hand.
„Remus hat Recht“, erklärte Sirius und Angelina glaubte, Erleichtertes in seiner Stimme zu hören. „Ein anderes Mal. Vielleicht solltest du jetzt lieber wieder zurück ins Bett. Wenn Hermine oder dein Bruder aufwachen und dein Bett leer ist, dann wird das ganze Haus wach.“
Angelina nickte: „Gute Nacht.“